Mit „Hubble“ und dem gerade im Weltraum installierten Nachfolge-Teleskop (James-Webb) geht der Blick der Forscher näher an den Ursprung unserer Zeit als je. Doch warum konnte sich der Kosmos vom Urknall bis hin zu uns so unglaublich entwickeln?
Das wissenschaftliche Weltbild findet mit dieser Frage einen Anknüpfungspunkt an den Schöpfungsglauben und möchte aus dem Staunen auch zur Suche nach Antworten motivieren. Der Abend untersucht verschiedene Ansätze, wie der Urknall aus dem Glauben zu deuten ist.
Referent:Dr. Gerd Weckwerth, Physiker, Institut für Geologie und Mineralogie der Universität Köln und Rheinisches Institut für Umweltforschung, ND-Arbeitskreis „Naturwissenschaft und Glaube“ Moderation: Dr. Matthias Rugel SJ
Die 38. Tagung des AK Naturwissenschaft und Glaube hat ein Thema des Synodalen Weges aufgegriffen (26.-28. Aug. 2022)
von Kurt Schanné und Gerd Weckwerth
Sexualität ist in der Evolution des Lebendigen ein vergleichsweises junges Phänomen, das vor etwa 600 Millionen Jahren als spezielle Art der Fortpflanzung auf der Erde erstmals auftrat. Es bezeichnet im engeren biologischen Sinne, dass erst zwei verschiedene Fortpflanzungstypen (Geschlechter) von Lebewesen einer Art zur Fortpflanzung fähig sind, wobei jeweils 50% der Erbinformationen dieser Eltern übernommen und weitgehend zufällig in den Nachkommen neu kombiniert werden. Sie gilt als wichtigster Beschleuniger der biologischen Evolution mittels Mutation und Selektion, weil damit Umwelt-Anpassung und Ausdifferenzierung der Arten effektiver gelingen.
Wie die Geschlechter der Arten zueinander finden und miteinander umgehen, wird als Sexualverhalten bezeichnet und hat bei Wirbeltieren Funktionen im Sozialgefüge der Population hinzugewonnen. Da diese nichts mehr mit dem Genomaustausch zu tun haben müssen, ist es nicht nötig, dass die dabei handelnden Partner unterschiedlichen Geschlechts sind. Dass es beim Menschen – und nicht nur bei ihm – neben der heterosexuellen Präferenz eine Vielzahl weiterer, nicht veränderbarer Neigungen gibt, gilt heute als erwiesen. Im Mittelpunkt des Interesses stehen vor allem Homosexualität, Pädophilie und Hebephilie (Liebe zu frühpubertären Jungen oder Mädchen).
Im weiteren Sinn bezeichnet Sexualität die Gesamtheit der Lebensäußerungen, Empfindungen und Interaktionen von Lebewesen in Bezug auf ihr Geschlecht. Neben der sexuellen Präferenz, die sich im Jugendalter herausbildet, ist die sog. Geschlechts- oder „Gender“-Identität ein zentraler Einflussfaktor. Diese tritt schon im Kindesalter hervor und drückt aus, als was jemand sich selbst empfindet, als Mann, als Frau oder als ein „Drittes“. Damit tut sich das weite Feld der Trans- und Intersexualität auf.
Prof. Dr. Dr. Klaus Beier, Direktor des Instituts für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin an der Charité in Berlinführte uns in Kloster Salmünster in diese komplexen Zusammenhänge ein. Dabei betonte er, dass bei jeder Variante der Sexualität das Bedürfnis nach Zuneigung und Anerkennung eine ganz wichtige Rolle spielt. Es geht also beim „Sex“, in welcher „Spielart“ auch immer, gar nicht in erster Linie um „sexuelle Handlungen“, sondern stets um ein Zusammenspiel biologischer, psychischer und sozialer Komponenten. Es ist ein Grundbedürfnis jeden Menschen, in Differenz, aber auch Einklang mit seiner Um- und Mitwelt zu leben. Solange die eigene Sexualität in diesen Kontext integrierbar ist, ist der Mensch zufrieden und erfährt sein Leben als gelungen.
Dies gilt nach Beiers Darstellung in gleicher Weise für homosexuelle Partnerschaften, die als „Normvariante“ unbedingt zu respektieren sind. Wenn sich jedoch sexuelle Neigungen zeigen, die auf der Verhaltensebene nicht oder nur „insgeheim“ ausgelebt werden dürfen, oder wenn die eigene biologische Identität nicht mit der „Geschlechtsidentität“ übereinstimmt, treten massive Dissonanzen und Konflikte auf, die in vielen Fällen schweres seelisches Leid auslösen. Meist erst dann werden diese „Fälle“ zum Gegenstand medizinischer Diagnose und Behandlung. Prof. Beier stellte das heute bundesweit aktive Netzwerk „Kein Täter werden“ vor, das unter seiner Leitung 2005 an der Charité in Berlin entstand und sich an Menschen mit pädophilen Neigungen bereits im Vorfeld wendet, solange sie noch nicht straffällig geworden sind.
Wie kann die Theologische Ethik all diese vielfältigen Aspekte aufnehmen und in ein ganzheitliches Konzept von Sexualität integrieren? Diese Frage griff Herr Prof. Dr. Thomas Weißer (Laubach) auf. Er lehrt in diesem Fachgebiet an der Universität Bamberg. Zunächst skizzierte er das „klassische“ Modell katholischer Sexualethik mit seinem stark normativen und „dichotomischen“ Ansatz. Demnach ist jede sexuelle Handlung danach zu beurteilen, ob sie alle mit der Sexualität verbundenen „Güter“ bzw. Wertdimensionen realisiert oder nicht. Im einen Fall ist sie erlaubt, im anderen nicht. In der Konsequenz führt dies dazu, dass jede sexuelle Handlung, auf jeden Fall jeglicher „Geschlechtsakt“ außerhalb der Ehe unzulässig ist. Damit stehen alle vor- und außereheliche sexuellen Praktiken ebenso unter moralischem Generalverdacht wie die Masturbation und die „vollzogene“ homosexuelle Partnerschaft. Diese traditionelle Lehre wurde vom Vatikanum II zwar personalistisch reinterpretiert und auch vertieft, aber in der Substanz nicht wirklich aufgegeben, ebenso wenig von den nachfolgenden Päpsten Johannes Paul II. und Benedikt XVI. Am ehesten kann man noch in „Amoris laetitia“ von Papst Franziskus ein vorsichtiges Abrücken von dem bisherigen Denk- und Beurteilungsschema erkennen.
Weißer plädierte dagegen – auch auf der Linie des Synodalen Wegs – für einen prinzipien-orientierten Zugang. Demnach ist sexuelle Praxis grundsätzlich wie jede andere Praxis danach zu beurteilen, ob sie grundlegende Werte wie z.B. Freiheit, Würde und Selbstbestimmung, Partnerschaft, Respekt, Verantwortung, Verbindlichkeit und „Generativität“ realisiert. Eine solche Sichtweise rückt ab von einer „aktbezogenen“ Beurteilung und fokussiert auf die Qualität einer Beziehung, in der Sexualität gelebt wird. In dieser Perspektive entfallen die meisten der „klassischen“ moraltheologischen Kategorisierungen, weil nicht mehr „fallbezogen“ gedacht wird, sondern vom konkreten Menschen her, der sein Leben lang auf der Suche nach gelingender ganzheitlicher Beziehung ist, die sich unter den Bedingungen unserer Begrenztheit immer nur graduell realisieren lassen, gleichwohl aber stets unter dem Segen Gottes steht. Die katholische Kirche ist hier in einen tiefgreifenden Lernprozess eingetreten. Alte Texte müssen neu interpretiert und überkommene Lehren revidiert werden. An dem empirischen Wissen über die natur- und humanwissenschaftlichen Zusammenhänge kommt auf die Dauer niemand vorbei. Der Arbeitskreis wünscht dem Synodalen Weg an dieser Stelle durchgreifenden Erfolg und nachhaltige Wirkung, weit über Deutschland hinaus.